Der Multitasking-Mythos: Warum Weniger Mehr ist

Multitasking wird oft als Zeichen von Effizienz und Produktivität angesehen. Doch in Wahrheit schadet es uns mehr, als es nützt. Studien zeigen, dass das gleichzeitige Erledigen mehrerer Aufgaben nicht nur unsere Konzentration mindert, sondern auch unsere Produktivität erheblich beeinträchtigt. Ob bei der Arbeit, zu Hause oder unterwegs – wir haben uns daran gewöhnt, ständig alles gleichzeitig zu machen. Doch genau diese Gewohnheit hat langfristig negative Auswirkungen auf unser Gehirn und unser Verhalten, die oft unterschätzt werden. In diesem Artikel möchte ich die Nachteile von Multitasking näher beleuchten und zeigen, wie man durch einfache Maßnahmen wieder fokussierter und effizienter arbeiten kann.

Die Illusion der Effizienz: Warum Multitasking nicht funktioniert

Auf den ersten Blick scheint Multitasking eine effektive Methode zu sein, um mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen. Man hat das Gefühl, produktiv zu sein und ständig Fortschritte zu machen. In Wahrheit jedoch operiert das Gehirn selten parallel, sondern wechselt vielmehr schnell zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her. Dieser Prozess des sogenannten „Task-Switchings“ kostet Zeit und mentale Energie. Studien belegen, dass diese ständigen Wechsel nicht nur zu erhöhter mentaler Belastung führen, sondern auch die Qualität und Geschwindigkeit der Arbeit negativ beeinflussen.

Auswirkungen auf die kognitive Funktion und Aufmerksamkeit

Verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und erhöhte Ablenkbarkeit

Menschen, die häufig zwischen verschiedenen Aufgaben oder Medien wechseln, weisen häufig eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und eine erhöhte Anfälligkeit für Ablenkungen auf. Eine Studie der Stanford University zeigt, dass intensive Medien-Multitasker schlechter darin sind, ihre Aufmerksamkeit auf eine einzige Aufgabe zu richten. Stattdessen entwickelt das Gehirn durch häufiges Multitasking eine Art „Konditionierung“, die es schwerer macht, sich über längere Zeit hinweg zu konzentrieren. Dies bedeutet, dass ständige Multitasker im Alltag zunehmend Schwierigkeiten haben, sich auf eine einzige Aufgabe zu fokussieren, was auf Dauer die Qualität der Arbeit beeinträchtigt.

Beeinträchtigung des Gedächtnisses und der kognitiven Verarbeitung

Die Auswirkungen von Multitasking erstrecken sich auch auf das Gedächtnis. Wenn das Gehirn ständig zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her springt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen effektiv gespeichert und später abgerufen werden können. Das gilt sowohl für das Kurzzeitgedächtnis als auch für das Langzeitgedächtnis. Studien zeigen, dass Multitasking die Fähigkeit des Gehirns reduziert, Informationen in das Langzeitgedächtnis zu transferieren, was dazu führt, dass Details schneller vergessen werden. Zusätzlich haben Forscher herausgefunden, dass die kognitive Leistung vorübergehend um bis zu zehn IQ-Punkte sinken kann, wenn wir uns auf mehrere Aufgaben gleichzeitig konzentrieren.

Kognitive Überlastung und mentale Erschöpfung

Eine weitere Herausforderung des Multitaskings ist die kognitive Überlastung, die durch das ständige Wechseln zwischen Aufgaben entsteht. Jedes Mal, wenn wir die Aufmerksamkeit auf eine neue Aufgabe richten, verbleiben Gedanken an die vorherige Aufgabe als sogenannter „Aufmerksamkeitsrückstand“ im Gehirn. Dieses Phänomen, das von der Professorin Sophie Leroy als „Attention Residue“ beschrieben wird, beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit, da Teile der mentalen Energie noch immer mit der vorherigen Aufgabe beschäftigt sind. Dieser ständige Rückstand führt dazu, dass Multitasker häufiger erschöpft sind und sich geistig ausgelaugt fühlen.

Der Verlust an Produktivität

Deutliche Produktivitätseinbußen

Mehrere Studien belegen, dass Multitasking zu erheblichen Produktivitätseinbußen führen kann. Laut der American Psychological Association kann die Produktivität durch häufiges Multitasking um bis zu 40 % sinken. Angestellte verlieren dadurch etwa fünf Arbeitswochen pro Jahr, weil sie sich nach jedem Aufgabenwechsel erneut in die neue Tätigkeit einfinden müssen. Dazu kommt die Zeit, die durch ständige Wechsel zwischen Apps, Programmen und Websites verloren geht – etwa vier Stunden pro Woche. Das ständige Zurückkehren zu einer Aufgabe und das erneute Einarbeiten kosten wertvolle Zeit und verringern die Effizienz.

Zeitaufwand zur Wiederfokussierung nach Unterbrechungen

Eine der größten Herausforderungen des Multitaskings besteht darin, dass es Zeit braucht, sich nach einer Unterbrechung wieder voll und ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Untersuchungen der University of California zeigen, dass es durchschnittlich 23 Minuten dauert, um nach einer Unterbrechung wieder auf das ursprüngliche Konzentrationsniveau zurückzukehren. Diese Wiederherstellungszeit summiert sich mit jeder Unterbrechung und führt zu weiteren Produktivitätseinbußen. Häufiges Multitasking kann so den gesamten Arbeitstag beeinträchtigen, da es immer wieder Zeit braucht, um in den „Flow“ zurückzukehren.

Neurologische und Verhaltensänderungen

Veränderungen in der Gehirnfunktion

Studien zeigen, dass die Auswirkungen von Multitasking auf das Gehirn ähnlich sind wie bei Schlafmangel oder Drogenkonsum. Häufiges Multitasking kann die neuronalen Verbindungen im Gehirn verändern, was die kognitive Flexibilität und die Fähigkeit zur Problemlösung beeinträchtigt. Langfristig kann dies die Leistungsfähigkeit des Gehirns schwächen und sogar die Struktur bestimmter Hirnregionen verändern.

Impulsivität und Sensationslust

Zusätzlich zeigen Studien, dass Menschen, die häufig multitasken, impulsiver sind und dazu neigen, nach neuen Reizen zu suchen. Diese Impulsivität und Sensationslust führen dazu, dass sie häufiger von ihrer Umgebung abgelenkt werden und Schwierigkeiten haben, fokussiert zu bleiben. So entsteht ein Teufelskreis, bei dem das Gehirn kontinuierlich nach neuen Reizen sucht, was die Fähigkeit zur langfristigen Konzentration und zum tiefen Arbeiten weiter verringert.

Strategien zur Minimierung der negativen Effekte

Da Multitasking tiefgreifende negative Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Produktivität hat, ist es wichtig, Strategien zur Verringerung der Aufgabenwechsel und zur Förderung der Fokussierung zu implementieren.

  1. Task-Grouping: Ähnliche Aufgaben zusammenzufassen, um kognitive Störungen zu minimieren, ist eine effektive Methode, um Multitasking entgegenzuwirken. Anstatt zwischen stark unterschiedlichen Aufgaben zu wechseln, können Aktivitäten mit ähnlichem Fokus in einem Block zusammengefasst werden. So sinkt die Zeit, die das Gehirn benötigt, um sich anzupassen, und die Effizienz steigt.
  2. Fokussierte Arbeitseinheiten: Das Einrichten von festgelegten Zeitblöcken für ungestörtes Arbeiten, wie beispielsweise durch die Pomodoro-Technik, kann helfen, die Konzentration zu verbessern. Durch das Festlegen von Arbeitseinheiten von etwa 25 Minuten gefolgt von kurzen Pausen wird das Gehirn dazu trainiert, fokussiert zu bleiben und weniger häufig zwischen Aufgaben zu wechseln.
  3. Digitalen Ablenkungen entgegenwirken: Oftmals sind es die ständigen Benachrichtigungen von Smartphones, E-Mails oder Apps, die uns dazu verleiten, die Aufmerksamkeit zu splitten. Das Ausschalten unnötiger Benachrichtigungen während der Arbeitszeit und das bewusste Einplanen von „digitalen Detox-Zeiten“ können helfen, die Produktivität und Konzentration zu steigern.
  4. Regelmäßige Pausen: Pausen sind essenziell, um dem Gehirn die Möglichkeit zur Erholung zu geben. Durch regelmäßige Pausen kann die kognitive Leistungsfähigkeit aufrechterhalten werden, ohne dass mentale Erschöpfung eintritt. Kurze, strukturierte Pausen ermöglichen dem Gehirn, sich zwischen den Aufgaben zu regenerieren und verringern so die Belastung durch ständige Aufgabenwechsel.

Fazit

Obwohl Multitasking in unserer heutigen, schnelllebigen Gesellschaft als unvermeidlich erscheint, zeigen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die langfristigen Auswirkungen auf das Gehirn und die Produktivität alles andere als vorteilhaft sind. Multitasking führt zu kognitiver Überlastung, mentaler Erschöpfung, verminderter Produktivität und einem erhöhten Stresslevel. Langfristig können diese Effekte nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen.

Die gute Nachricht ist jedoch, dass es effektive Strategien gibt, um Multitasking entgegenzuwirken und eine fokussierte Arbeitsweise zu fördern. Durch das bewusste Gruppieren von Aufgaben, die Nutzung fokussierter Arbeitseinheiten, das Minimieren digitaler Ablenkungen und das Einlegen regelmäßiger Pausen können die schädlichen Auswirkungen des Multitaskings verringert werden. So lässt sich nicht nur die kognitive Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch die persönliche Produktivität und Zufriedenheit im Alltag erhöhen.